Berufsschullehrerverband Sachsen - Anhalt e.V.

Landesverband im Bundesverband der Lehrer an beruflichen Schulen

PM Die Berufsbildner: Einfach machen - statt zu klagen

BvLB-Studie belegt: Mangelnde technische Ausstattung an beruflichen Schulen erhöht Stresslevel bei Lehrkräften

 

Die Corona-Krise hat die digitale Ausstattung der beruflichen Schulen enorm beschleunigt. Dennoch fehlt es weiterhin an notwendiger Infrastruktur wie Gigabit-Anschlüssen, Lehrerlaptops, datenschutzkonformen Softwarelösungen sowie E-didaktischen Lehr- und Lerninhalten, um verlässlich qualitativ wertvollen Distanzunterricht auch in der Fläche gewährleisten zu können. Dank des engagierten und tatkräftigen Handelns der Lehrkräfte sowie der Schulleiterinnen und Schulleiter, die grundsätzlich anpacken anstatt zu klagen, und – wenn es denn notwendig ist – auch mit der privaten technischen Ausstattung Distanzunterricht über alle Lockdown-Zeiten hinweg ermöglichten,

sind die Berufsbildner recht gut durch die Krise gekommen. „Die Berufsbildner sind Macher und Lehrkräfte aus Überzeugung, die vor allem das Wohl und die gelingende Ausbildung der Schülerinnen und Schüler immer im Blick haben. Und das, obwohl die beruflichen Schulen seit Jahrzehnten mit Personalmangel zu kämpfen haben, bei der digitalen Ausstattung vielerorts immer noch hinterherhinken und immer mehr Aufgaben aufgebürdet bekommen, die nichts mit dem originären Unterrichten zu tun haben“, sagt Joachim Maiß, Vorsitzender des Bundesverbandes der Lehrkräfte für Berufsbildung (BvLB).

 

Um wissenschaftlich fundiert zu ergründen, ob und wie die digitale Mangelwirtschaft den Arbeitsalltag belastet hat, hat der BvLB in Zusammenarbeit mit den Universitäten Bamberg, Hannover, Osnabrück und der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch-Gmünd eine inhaltlich breit angelegte Befragung seiner Lehrerschaft auf Bundesebene initiiert. Die Ergebnisse sind in die Studie „Erfahrungen und Perspektiven digitalen Unterrichtens und Entwickelns an beruflichen Schulen (Digi-BS)“ eingeflossen. Die Studie bescheinigt den Berufsbildnern lösungsorientiertes Handeln in der Krise und untermauert empirisch, was der BvLB fortwährend bemängelt.

 

Die technische Ausstattung an den Schulen ist größtenteils schlecht. Das sagen über 60 Prozent der befragten Lehrkräfte. Und über 70 Prozent der Lehrkräfte fehlt es an stabilen W-Lan und Gigabit-Anbindungen. Auch leistungsfähige, datenschutzrechtlich sichere Softwarelösungen auf Industriestandard fehlen nach wie vor. Die Studie zeigt, dass da, wo die technische Ausstattung gut ist und digitale Selbstwirksamkeit erfahren wurde, das Stressempfinden gering war. Da, wo die technische Ausstattung schlecht war, war das Stressempfinden sehr hoch und die persönlichen Überlastungsgrenzen erreicht.

 

Weiterhin offenbart die Studie das Gefälle zwischen den Ländern – nicht nur bei der technischen Ausstattung. „Daher ist das von der Ampel-Koalition angedachte Kooperationsgebot zwischen Bund und Ländern, das finanzielle Transferleistungen und länderübergreifende Bildungsstandards ermöglichen soll, im Grundgesetz zu verankern“ sagt Maiß und betont „Ich danke all unseren Lehrkräften, die Zeit in diese umfangreiche Studie investiert haben und so erst dieses fundierte Ergebnis möglich machten, was uns nun auch hilft, aktiv auf die Politik zuzugehen. Allerdings ist das erst ein erster Aufschlag.“

 

Die Frage ist doch, um wieviel besser die Berufsbildner den Distanzunterricht während der Lockdown-Zeiten hätten gestalten können, wären die für die einzelnen Bildungsgänge bedarfsgerechte Ausstattung, die personellen und finanziellen Ressourcen sowie ein fachlich fundiertes Fortbildungsangebot vorhanden gewesen. „Wenn das alles längst umgesetzt wäre, was der BvLB seit Jahren wieder und wieder fordert, um die berufliche Bildung zukunftsfähig aufzustellen, wären wir einen ganzen Schritt weiter“, sagt Maiß und listet auf:

 

-     Die Lehrkräfte müssen spürbar entlastet werden, in dem die Stundendeputate abgesenkt und multiprofessionelle Teams aufgebaut werden. Ziel sollte hierbei sein, passende und moderne Unterrichtsformate zu fördern. Nur so können die Lehrkräfte als Bildungsprofis ihre originäre pädagogische Aufgabe voll erfüllen.

 

-     Gleichsam braucht es deutlich mehr grundständig ausgebildete Lehrkräfte in der beruflichen Bildung. Gerade mit Blick auf den demografischen Wandel wächst der Handlungsdruck. Es ist erschreckend, dass die Universitäten über Jahrzehnte hinweg die Ausbildung von Berufsbildnern vernachlässigt haben – bis dahin, dass Studiengänge für das berufliche Lehramt gar nicht mehr angeboten werden. Hier muss bildungspolitisch dringend gegengesteuert werden und eine Imagekampagne für den Beruf des „Berufsbildners“ initiiert werden.

 

-     Hybriden Unterrichtsmodellen wird zukünftig eine immer größere Bedeutung zukommen. Sie bilden einerseits die Basis für einen zukunftsweisenden Qualitätsunterricht. Andererseits ermöglichen sie einen hohen Grad an Flexibilität und helfen dabei, das Bildungsangebot in der Fläche halten zu können. Der beschlossene Digitalpakt 2.0 verstetigt dies. Wir wissen, dass die Berufsbildner sich hier in einem Spannungsfeld bewegen. Der Wandel ist ein Prozess, die Disruption aber nicht aufzuhalten. Wir begleiten den Prozess für die Kolleginnen und Kollegen und sorgen für Stabilität und Innovationskraft gleichermaßen.

 

-     Der Nutzen der Fortbildungen muss gesteigert werden – insbesondere, was die Umsetzbarkeit der Fortbildungsinhalte im Unterricht betrifft. Die Angebote müssen sich an den Anforderungen für einen zeitgemäßen Unterricht orientieren und sollten die fachlich-methodische Weiterentwicklung fokussieren sowie den informellen Austausch fördern.

 

-     Gleichsam muss die Schulverwaltung optimiert werden. Verkrustete Verwaltungsstrukturen und lähmende Bürokratie bremsen das Engagement der Lehrkräfte in allen Bundesländern und damit Schule im Allgemeinen aus. Deshalb fordert der BvLB, mehr Eigenverantwortung für die berufsbildenden Schulen. Nur so können flexibel passgenaue Lösungen vor Ort gefunden werden, um schulische Bildungsangebote im Zuge der digitalen und nachhaltigkeitsorientierten Transformation weiterzuentwickeln. Dies ist notwendig, um die berufliche Bildung langfristig zukunftssicher aufzustellen.

 

„Alles Problemfelder, die die Berufsbildner immer wieder benennen und die auch von der Enquete-Kommission ‚Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt‘ im Ergebnis deutlich herausgearbeitet wurden und denen mit einem ‚Pakt für berufsbildende Schulen‘ entgegengewirkt werden soll, um schnellstmöglich Abhilfe zu schaffen“, sagt Maiß.

 

Fakt ist, dass Lehrkräfte zunehmend einem erhöhten Stresslevel ausgesetzt werden, wenn nicht bei allen benannten Punkten gezielt gegengesteuert wird. Die digitale Transformation schreitet in allen Lebensbereichen immer schneller voran. „Damit die berufliche Bildung auch künftig zukunftsfähig aufgestellt und attraktiv für Lehrkräfte bleibt, muss sie kontinuierlich auf die sich wandelnden Bedarfe reagieren und entsprechend fortlaufend an der technischen Entwicklung orientiert ausgestattet werden. Daneben müssen neue Arbeits(zeit)modelle entwickelt werden. Nur so kann die berufliche Bildung den Anforderungen einer sich weiter globalisierten Wirtschaft als Ausbildungspartner Rechnung tragen und durch entsprechende Finanzierung zur perspektivisch notwendigen Exzellenz erwachsen“, sagt Maiß und verweist auf eine weitere Studie, die primär die tatsächliche Arbeitszeit, Arbeitsbelastung und Resilienz von Lehrkräften an beruflichen Schulen in Baden-Württemberg beleuchtet.

 

Um die tatsächliche Arbeitszeit von Lehrkräften an beruflichen Schulen korrekt festlegen zu können, fehlen den zuständigen Gerichten bisher die notwendigen Infos und Zahlen. Sie fordern daher Studien, die auch außerunterrichtliche Tätigkeiten erfassen. Der Berufsschullehrerverband Baden-Württemberg (BLV) und die Universität Mannheim starten deshalb gemeinsam jetzt eine der umfangreichsten Arbeitszeitstudien, die jemals an beruflichen Schulen durchgeführt wurde.