Offener Brief des BvLB - agil handeln, statt kleinkrämerisch Krise verwalten

Endlich agil handeln, statt kleinkrämerisch die Krise verwalten

Corona und kein Ende: Der BvLB-Bundesvorsitzende appelliert an die gesellschaftliche Verantwortung eines jeden Einzelnen und formuliert eindringliche Forderungen an Politik und Verwaltung für sichere berufliche Schulen

 

Selbstverständlich kann man das politische Versagen auf breiter Front in der Coronakrise anprangern. Die Halbwertzeit der politischen Aussagen während der Pandemie überdauert mitunter nicht mal mehr einen Tag. Was gestern kategorisch ausgeschlossen wurde, ist heute vorhergesehene Realität. Ja, das ist erschreckend, wie so vieles in der Krise. Nur hilft diese Erkenntnis nicht – weder die vierte Welle zu brechen noch berufliche Schulen zu einem sicheren Ort zu machen, damit der so wichtige Präsenzunterricht auch weiterhin stattfinden kann. Deshalb appelliert der Vorsitzende des Bundesverbandes der Lehrkräfte für Berufsbildung (BvLB), Joachim Maiß, an die gesellschaftliche Verantwortung und wendet sich mit einem offenen Brief an Politik und Verwaltung. Denn die Berufsbildner jammern zwar nicht, leisten noch immer Enormes, aber sie sind längst am Anschlag.

 

Nach 21 Monaten mit dem Virus, einem ewigen auf und ab der Regelungen, immer viel zu spät und oft unverständlich und wenig nachvollziehbar, sind wir jetzt mitten in der vierten Welle – der Letzten? Oder geht das so weiter? Sorry, nicht nur die Politiker sind verantwortlich für die aktuelle Lage. Wir alle sind viel zu sorglos mit dem Virus umgegangen. 2G wiegt uns in Sicherheit. 2G+ ist besser! 1G ist vielleicht top und eine allgemeine Impfpflicht wird immer sinnvoller. Aber mal ehrlich, wo ist denn aktuell unsere Einschränkung in unseren Bewegungsmustern – die das Infektionsgeschehen brechen könnte?

 

Bars, Clubs und Disco sind toll und wichtig für die Betreiber und unser Wohlbefinden. Ebenso wie Weihnachtsmärkte, die eigentlich einstimmen sollen auf die besinnliche Zeit. Aber bis Weihnachten sollten wir uns mit Rücksicht auf die Krankenhäuser sehr zurückhalten, wenn die Politik das nicht anfassen mag, dann sollten wir dies aus Eigenschutz tun. Kommen wird der erzwungene Verzicht über kurz oder lang eh, rollt die Welle, gleich einem Tsunami, über die Republik hinweg, erzeugt Hotspots und erzwingt den Teillockdown.

 

Die mangelhafte Ausstattung der Klassenräume mit Luftfiltern, die 99,998 % aller Aerosole aus der Raumluft filtern und die Sicherheit in Schulen nachweißlich steigern, grenzt zwar an Staatsversagen. Dennoch beklagen sich die Berufsbildner nicht. Das Thema ist schlicht wieder einmal viel zu spät, zu zaghaft und ohne wirklichen Willen angefasst worden, obwohl es Beispiele für eine rasche und effektive Umsetzung gibt. Stattdessen wird uns 20-5-20 (20 Minuten Unterricht, fünf Minuten quer Lüften, 20 Minuten Unterricht) wieder durch den Winter begleiten.

 

Die Illusion, dass die Schulen offenbleiben und das Versprechen der Politik, Schulen auf keinen Fall wieder zu schließen, ist ein frommer Wunsch und Realitätsverweigerung. Denn Sachsen hat bereits angekündigt, die Schulen zu schließen und Brandenburg sowie Sachsen-Anhalt setzen die Präsenzpflicht außer Kraft. Derweil meandert die designierte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP), trotz explodierender Infektionszahlen, keine Schulschließungen machen zu wollen. Aber: Sie werden flächendeckend kommen! Wir sollten uns schon jetzt darauf vorbereiten, um sofort agieren zu können. Denn die entsprechenden Rundverfügungen der Kultusminister kommen wie gehabt auf den allerletzten Drücker bestimmt wieder am Freitagnachmittag bevor der Erlass am Montag darauf greift und keine Vorlaufzeit zum Umswitchen von Präsenz- auf Distanzunterricht lässt.

 

Ja, diese ganze Testerei und Überprüfung ist nervig, aber zwingend notwendig. Ob die Nachverfolgung und Quarantäneaussprache durch Schulleitung und Kolleginnen und Kollegen wirklich nötig und sinnvoll sind, kann man hinterfragen. Einfach machen, um die Kolleginnen und Kollegen im Gesundheitsamt – die sind auch Öffentlicher Dienst – zu entlasten, ist jetzt eine faire Entscheidung. Aber bitte, liebe Politik und Verwaltung, überlegt Euch endlich was zur Entlastung.

 

Seien es die vorgezogenen Weihnachtsferien oder zwei Deputatsstunden „Corona-Verwaltung“, die nötig sind, um den Alltag zu stemmen. Ganz zu schweigen von einer Coronaprämie, die das Engagement würdigt, oder wenigstens eine offene Haltung in der aktuellen Tarifrunde – 5 % Prozent sind wirklich nicht überzogen angesichts einer darüber hinaussteigenden Inflation.

 

Politiker, lasst Euch endlich was einfallen, nicht nur weil bald Weihnachten ist, sondern weil die Schulen ohne das Engagement der Lehrkräfte und Mitarbeiter*innen in dieser 4. Welle, die eher an einen Tsunami erinnert, gegen die Wand fahren. 

 

Nötig ist jetzt:

 

  • Boostert so schnell wie möglich alle in Schule!
  • Optimiert die Testungen! Am besten täglich!
  • Was spricht eigentlich gegen 2G+ in der beruflichen Schule?
  • Masken sind lästig, aber wichtig. Modifiziert die Rahmenstundenpläne, alle 40 Minuten zwingend 10 Minuten Pause!
  • Forciert die Beschaffung von Luftfiltern, die nächste Welle kommt bestimmt!
  • Forciert die Planung für den unausweichlichen Schullockdown, der garantiert kommen wird und Distanzunterricht erfordert!
  • 2 Stunden Coronaverwaltung zur Entlastung für alle!
  • Öffnung der „Nachholmittel“ für den Einkauf von Entlastungspersonal und für die Erweiterung multiprofessioneller Teams für virtuelle Betreuung auch durch Referendare und Studenten!
  • Seid kreativ, agil und bloß nicht länger kleinkrämerisch!“

 

 

Joachim Maiß

BvLB-Bundesvorsitzender