Positionen des BvLB zu Abschlussprüfungen in pandemischen Zeiten

Ist-Zustand
Das Corona-Virus hat Deutschland seit einem Jahr im Griff und ist Taktgeber für das gesellschaftliche Leben. Alle Hoffnungen und Versprechen, nach dem ersten Lockdown die Schulen nicht wieder zu schließen oder einen neuerlichen Shutdown zu verhängen, sind obsolet. Das Infektionsgeschehen ist nach wie vor zu massiv, die Inzidenzzahlen weit von einer möglichen Entspannung der Lage entfernt. Der zweite Shutdown hält an, wurde verschärft und die dritte Welle kündigt sich wahrscheinlich bereits an. Niemand weiß, wie sich die Lage weiterentwickelt – auch und gerade angesichts der virulenten Mutanten.

Konsequenz für die beruflichen Schulen
Für den BvLB ist klar: Die Abschlussprüfungen sind elementar wichtig für den weiteren beruflichen Werdegang der jungen Menschen nach der Ausbildung und stehen nicht zur Disposition. Bestandene Prüfungen ermöglichen den reibungslosen Start in den Beruf. Die Schülerinnen und Schüler der beruflichen Bildung haben ein Recht darauf, ihre Prüfung ablegen zu können. Dieses Recht ist nicht verhandelbar!

Fakt ist aber auch, dass die Abschlussprüfungen in diesem Jahr vom Gewohnten abrücken werden. Ob es reicht, nur wie im letzten Jahr die Termine bis in die Sommerferien zu verschieben oder aber die Inhalte darüber hinaus in Breite und Tiefe deutlich anzupassen, kann niemand voraussagen. Deshalb braucht die berufliche Bildung eine klare Strategie, um modifizierte Prüfungsangebote offerieren zu können. Denn anders als 2020 sind wir diesmal nicht von der Pandemie überrascht worden. Hier müssen die dualen Partner, Ausbildungsbetriebe, Kammern und die betroffenen Schulen und Lehrerinnen und Lehrer lösungsorientiert zusammenarbeiten.

Die Berufsbildner stellen sich diesbezüglich ausdrücklich hinter die Beschlüsse der KMK vom 21. Januar, die den Handlungsrahmen für die Länder definieren: Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz und brandenburgische Bildungsministerin Britta Ernst sagte zu den getroffenen Verabredungen: „Unser heutiger Beschluss ist von dem Leitgedanken getragen, dass Schülerinnen und Schülern in diesem von der Pandemie geprägten Schuljahr keine Nachteile für ihre weitere Bildungsbiografie entstehen dürfen. Die Kultusministerinnen und Kultusminister haben heute einen Rahmen verabredet, der durch Sicherung der Standards die Vergleichbarkeit sicherstellt, aber Spielräume schafft, um auf die Einschränkungen der Pandemie Rücksicht zu nehmen. Vor allem gilt: Die in diesem Jahr erworbenen Abschlüsse werden denen früherer und späterer Jahrgänge gleichwertig sein und gegenseitig anerkannt werden.“

Es geht darum, erstens die Qualität der Abschlüsse zu wahren, und zweitens die Prüfungen im schlimmsten anzunehmenden Fall durchführen zu können - das sind die bestimmenden Parameter bzw. “Stellschrauben”, um lokal den Inzidenzwerten entsprechend handlungsfähig zu bleiben.

1. Parameter Qualität:
Die Schülerinnen und Schüler der beruflichen Schulen haben je nach Ausbildungsdauer schon bis zu zweieinhalb Jahre Unterricht in Präsenz erfahren und somit ein profundes, prüfungsrelevantes Wissen erworben. Während der Distanzlernphasen, die anfangs eher einem Experimentierlabor glichen, wurde weiteres, wesentliches Wissen vertieft. Denn: Berufliche Schulen sind und waren Vorreiter bei der Digitalisierung. Insofern kann in keiner Weise von einem verlorenen Jahrgang gesprochen werden.

Vielmehr gilt es nun Ausbildungs- bzw. Unterrichtsinhalte, die in Folge der Pandemie nicht ausreichend behandelt bzw. vermittelt und so die erforderlichen Kompetenzen von den Schülerinnen und Schülern nicht erworben werden konnten, auch nicht abzuprüfen. Es kann nur geprüft werden, was an den Lernorten gelehrt wurde. Die schon ausgearbeiteten Prüfungsaufgaben müssen dann pragmatisch angepasst werden bzw. es muss den Prüflingen eine breitere Auswahl von Prüfungsaufgaben angeboten werden. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die Kammerprüfungen.

2. Parameter Durchführung: Für den Fall, dass der Lockdown weiter verschärft wird, die Schulen über den 14. Februar hinaus geschlossen bleiben müssen und möglicherweise bis zum Sommer kein Präsenzunterricht und nicht einmal Wechselunterricht möglich ist, muss festgelegt werden, welche Prüfungsformate möglich und unter dem Qualitätsanspruch realisierbar sind.

Die Prüfungen könnten durchaus in vielen Bereichen in einem digitalen Format stattfinden. Es gibt nichts, was rechtlich dagegensteht. Die beruflichen Schulen können alternative Bewertungsmöglichkeiten heranziehen. Beispielsweise könnte über die Durchschnittsnote der Lernfelder eine Endnote gebildet und so auf eine Abschlussprüfung verzichtet werden.

Um die Abschlussprüfungen selbst bei extrem hohen Inzidenzzahlen oder aber gar bei verhängten Ausgangssperren durchzuführen, lassen sich große Räume bis hin zu Messehallen anmieten. So kann die Qualität der Prüfungen gewährleistet und die Prüfung Corona-konform abgenommen werden. An dieser Stelle sollte kein Aufwand gescheut werden. Die Berufsbildner stehen allen Maßnahmen positiv gegenüber, die eine geordnete Feststellung des schulischen bzw. beruflichen Abschlusses sicherstellen.

Es ist entscheidend, dass die Berufsbildner gemeinsam mit den Kammern und den Sachaufwandsträgern flexibel und kreativ zum Wohle der Auszubildenden sowie Schülerinnen und Schüler agieren, dabei auf die jeweilige lokale Situation passgenau reagieren und alle sich bietenden Möglichkeiten ausschöpfen.

Ein bedingungsloses Festhalten an Altbewährtem ist nicht zielführend. Gleichsam darf es keine Entwertung der Abschlüsse geben.

Es geht um nichts Geringeres, als den jungen Menschen einen erfolgreichen Start ins Berufsleben zu ebnen. Deshalb darf es hier keine Denkverbote geben.

Die Coronakrise können wir nur gemeinsam bewältigen. Das erfordert von allen Beteiligten ein Höchstmaß an Einsatzbereitschaft, Kooperation, Lösungsorientierung und Flexibilität.