PM Quereinsteiger sind nur eine Notlösung
BvLB fordert mehr originär ausgebildete Berufsschullehrer: Chronisch unterversorgtes Modell trifft auf Pensionierungswelle/Bedarf an 60 000 neuen Berufsbildern bis 2030
Der Bundesverband der Lehrkräfte für Berufsbildung e.V. (BvLB) begrüßt die Forderung der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), wonach die akademischen Standards in der Lehrerausbildung auch für den Seiten – und Quereinstieg von Lehrkräften nicht verhandelbar sind. „Quereinsteiger können nur eine Notlösung sein. Statt den Lehrerberuf aufzuwerten und attraktiver zu machen, werden die Ausbildungskapazitäten insbesondere für Lehrkräfte im Bereich der Berufsbildung an den Universitäten heruntergefahren. Wir brauchen dringend mehr originär ausgebildete Berufsschullehrer. Dafür müssen wieder mehr Studienstandorte für die beruflichen Lehrämter geschaffen und junge Menschen für den Beruf begeistert werden. Nur so können die beruflichen Schulen zukunftssicher aufgestellt werden“, sagt Joachim Maiß, Vorsitzender des BvLB.
Denn: Der Lehrermangel gerade an beruflichen Schulen ist schon heute eklatant. Die Unterrichtsversorgung liegt im Bundesdurchschnitt nur bei 90 Prozent. Das bedroht zunehmend die Ausbildungsqualität, weil immer mehr Unterrichtstunden ausfallen müssen. Bis 2030 verschärft sich diese Situation dramatisch. Denn das chronisch unterversorgte System trifft eine Pensionierungswelle. In den nächsten zehn Jahren wird gut die Hälfte der rund 125 000 Berufschullehrer in den Ruhestand gehen – das sind 60 000! Ausgebildet werden pro Jahr gerade einmal 2000, weil der Nachwuchs fehlt.
Maiß, selbst Schulleiter der Multimedia berufsbildenden Schulen in Hannover, erlebt es immer wieder, dass vor den Sommerferien fünf Kollegen in den Ruhestand gehen, und nach den Ferien gerade zwei neue kommen. „So lässt sich der Unterricht nicht mehr sicherstellen“, skizziert Maiß den Alltag an Deutschlands Berufsschulen: „Und es wird immer schlimmer. Die beruflichen Schulen bluten aus.“
Die Kollegien sind seit Jahren auf Schrumpfkurs. „Die Lücken werden immer häufiger mit Quereinsteigern aus der Wirtschaft gefüllt. Nur denen fehlt die pädagogische Qualifikation und das geht wiederum zu Lasten der Ausbildungsqualität an den beruflichen Schulen. Das müssen Lehrkräfte und Schüler gleichermaßen ausbaden,“ sagt Eugen Straubinger, ebenfalls BvLB-Vorsitzender und fordert einen deutlichen Ausbau der Studienkapazitäten sowie eine massive Werbeoffensive für den Beruf als Lehrer.
Gleichzeitig appelliert er an die Kultusminister, die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen der Lehrkräfte an beruflichen Schulen deutlich zu verbessern. „Der Lehrerberuf muss wieder attraktiv werden und darüber eine hohe Wertschätzung auch und gerade durch den Dienstherrn genießen. Es kann nicht sein, dass die Politik - wie zuletzt in Niedersachsen geschehen - das Quereinsteigermodell zum Lückenschluss mit dem Gütesiegel ‚empfehlenswert‘ adelt“, sagt Straubinger.
An vielen beruflichen Schulen ist die Unterrichtsversorgung vor allem in Fachrichtungen wie Maschinenbau, Elektrotechnik, Informationstechnologie, Bautechnik oder Wissenschaft und Verwaltung auf unter 90 Prozent abgesackt. „Die Krux ist, dass die beruflichen Schulen aktuell gerade hier auf Quereinsteiger angewiesen sind, um den allernötigsten Lehrkräftebedarf abzudecken“, sagt Maiß.
Zumindest in Schleswig-Holstein haben Politik und Hochschulen die Zeichen der Zeit erkannt. Sie umwerben ganz gezielt Fachhochschulabsolventen, damit diese parallel zu ihrer Ausbildung für Industriejobs einen zusätzlichen Studienschwerpunkt „Berufliche Bildung“ mit didaktischen Modulen belegen und sich damit für einen Masterstudiengang „Lehramt an Beruflichen Schulen“ qualifizieren. „Ein positives Beispiel, das nach der Pilotphase an der Europa-Uni-Flensburg auch auf Kiel und Lübeck ausgerollt wird und bundesweit Schule machen sollte“, fordert Maiß.